Designer und Entwickler arbeiten oft isoliert an ihren Teilen des Produkts. Die Designer entwerfen Wireframes, Designsysteme und einfache Mocks der digitalen Produkte, während die Entwickler diese in Soft- und Hardware umsetzen. Doch um ein optimales Ergebnis zu erzielen, ist eine enge Zusammenarbeit unerlässlich. Die Designer entwerfen Wireframes, Designsysteme und einfache Mocks der digitalen Produkte, während die Entwickler diese in Soft- und Hardware umsetzen. Durch eine gute Kommunikation und Zusammenarbeit können Informationen oder Anforderungen an die Produkte effektiv ausgetauscht werden, was sich positiv auf die Usability des Produkts auswirkt.
Usability umfasst mehr als nur Design oder Quellcode. Es geht um die Interaktion der Nutzer mit dem Produkt und sollte regelmäßig vom gesamten Team betrachtet und überprüft werden. Auch wenn das Entwicklungsteam diese Aufgabe den Designern überlässt und diese nicht in die Details einsteigen wollen, sollten alle eine gemeinsame Diskussionsbasis haben. Auf diese Weise können zumindest die grundlegenden Aspekte einer guten Nutzbarkeit des Produkts erreicht werden.
Das Team kann auf die in der Organisation vorhandenen Anforderungen zurückgreifen, um ein gemeinsames Verständnis für die Usability zu erlangen. Oft werden neben den Designsystemen auch UX-Anforderungen spezifiziert. Wenn keine bestehende Basis vorhanden ist, könnte das Team die 10 Usability-Heuristiken von Usability-Experte Jakob Nielsen nutzen.
Usability Heuristiken
1. Sichtbarkeit des Systemstatus
Wenn der Benutzer im User Interface eine Aktion ausführt, sollte der Zustand schnell und deutlich erkennbar sein. Ein einfaches Beispiel hierfür ist ein Button, der einen Beitrag in den sozialen Medien abschickt. Durch eine visuelle Reaktion auf den Klick erhält der Benutzer eine erste und einfache Rückmeldung. Sollte die Aktion potenziell länger dauern (z.B. Übertragung vom Browser zum Server), sollte auch dieser Zustand klar erkennbar sein. Nachdem die Aktion ausgeführt wurde, sollte der Benutzer deutlich erkennen, dass der Beitrag erfolgreich abgeschickt wurde und das System bereit für weitere Aktionen ist.
Um die Usability zu testen, ist es wichtig, dass das gesamte Team zusammenarbeitet und kreativ ist. Während der Entwicklung ist es oft schwierig zu erkennen, wo das System zu wenig Feedback gibt. Ein typisches Beispiel hierfür ist der oben dargestellte Button zum Absenden eines Beitrags, insbesondere bei einer sehr guten oder schlechten Internetverbindung. Was für Entwickler nur Millisekunden dauert und sich responsiv anfühlt, kann den Nutzer bei mobiler Nutzung verwirren, wenn das System einfach einfriert, ohne mitzuteilen, was los ist.
2. Übereinstimmung zwischen System und realer Welt
Das System sollte Begriffe und Konzepte verwenden, die der Zielgruppe vertraut sind. Dazu gehören nicht nur Begriffe aus der realen Welt, sondern auch solche, die in anderen Produkten verwendet werden und bestimmten Konventionen folgen. Hierzu zählen beispielsweise UI-Elemente wie Buttons, Schieberegler, Anzeigen und Ladebalken.
Es ist wichtig, dass die verwendeten Begriffe und Konzepte nicht nur zur Zielgruppe passen, sondern auch zeitgemäß sind. Die technologische und kulturelle Entwicklung beeinflusst unsere Wahrnehmung und sollte daher berücksichtigt werden. Bis zur Version 7 von iOS nutzte Apple das sogenannte skeuomorphe Design, welches die Benutzeroberflächen stark an reale Objekte anlehnte. Dadurch konnten die ersten Nutzer des iPhones das System intuitiver und einfacher verstehen. Nach einigen Jahren seit der ersten Version von iOS haben sich die Menschen jedoch so sehr an die mobilen UIs gewöhnt, dass Apple den nächsten Schritt gehen konnte und das Design abstrakter gestaltete. Mit diesem Schritt konnte Apple das Design modernisieren und an die Bedürfnisse der Nutzer anpassen. Ein Button muss nicht wie eine reale Taste aussehen. Eine abgesetzte Farbe reicht aus, um die Intention hinter dem Element zu erkennen.
3. Benutzerkontrolle und -freiheit
Eines der Grundbedürfnisse der Menschen ist das Bedürfnis nach Sicherheit. Gerade bei der Bedienung von Produkten ist es wichtig, die Kontrolle über das Produkt zu haben, vorhersehbare Reaktionen des Systems zu erwarten und die Möglichkeit zu haben, eine Fehlbedienung rückgängig machen zu können.
Ein typisches Beispiel hierfür ist die Möglichkeit, die letzte Änderung mit dem ‚Widerrufen‘-Button rückgängig zu machen. Mit der Tastenkombination ‚Strg+Z‘ wird in Excel die zuletzt gelöschte Zeile wiederhergestellt. Oder die komplette Datei aus dem Papierkorb zurückgebracht. Bei den meisten Webseiten sind die Aktionen leider nicht umkehrbar. So ist es in der Regel nicht möglich, eine Bestellung mit der falschen Sockengröße rückgängig zu machen. Kontrolle geht über die Bedienoberfläche hinaus, man möchte den kompletten Prozess steuern oder abbrechen können.
4. Konsistenz und Standards
Einheitliche Bedienung, Symbolik und Meldungen erleichtern den Menschen die Benutzung der Produkte. Diese Einheitlichkeit gilt nicht nur innerhalb des Produktes oder alle Produkte des Anbieters, sie sollte für die Nutzer über alle Produkte hinweg gültig sein. Niemand möchte die kreativen Einfälle eines Unternehmens studieren müssen. Alle, die schon mal Autos verschiedener Hersteller nutzen durften: Bis auf einige wenige Standards wie Lenker, Blinker und Pedale, muss man sich jedes Mal an die Bedienung der Fahrzeuge gewöhnen. Und wer liest schon das Bordbuch?
Im Unternehmenskontext kann das Produktteam oft auf bestehende Designsysteme des Unternehmens zurückgreifen. Dadurch wird die Konsistenz über die Angebote des Unternehmens gewährleistet. Das Team sollte gleichzeitig die Zielgruppe des Produkts berücksichtigen. Es ist wichtig zu bedenken, dass die Zielgruppe möglicherweise Erfahrungen und Erwartungen aus vertrauten Systemen mitbringt.
5. Fehlervermeidung
Der beste Umgang mit Fehlern besteht darin, sie von vornherein zu vermeiden. Während der Entwicklung sollten die Produktteams mögliche Nutzerfehler berücksichtigen und Strategien entwickeln, um diese zu vermeiden. Dazu gehören beispielsweise Eingabeprüfungen, Hilfestellungen und Vorgabewerte. Alle Informationen, die Benutzer benötigen, um eine Entscheidung zu treffen, sollten im entsprechenden Kontext verfügbar sein. Wenn man sich auf das Gedächtnis verlassen muss, können Fehler unvermeidbar sein.
Ein klassisches Beispiel dafür sind Fragen, ob man sich sicher ist, bevor eine unwiderrufliche Aktion ausgeführt wird. Es ist jedoch beruhigend zu wissen, dass das System eine Warnung ausgibt, falls man sich verklickt hat und die Datei nicht löschen wollte. Auch die Abfrage des Browsers, ob man die Seite verlassen möchte, obwohl man das Formular nicht abgeschickt hat, ist eine hilfreiche Funktion. Wenn es um Hardware geht, können bewusst eingebaute Einschränkungen eine Fehlbedienung vorbeugen. Asymmetrische Stecker bieten einen Verpolungsschutz, da sie nur in einer Weise eingesteckt werden können.
Fehlervermeidung erfordert Empathie des Produktteams, die Fähigkeit und den Willen, sich in die Zielgruppe und ihren Kontext hineinzuversetzen. Es ist wichtig, möglichst verschiedene Perspektiven einzubeziehen, da alle Menschen unterschiedliche Fehler machen.
6. Wiedererkennung statt Erinnerung
Wie schon bei der Fehlervermeidung erwähnt, ist auf unsere Erinnerung nicht viel Verlass. Zusätzlich kostet sie uns Zeit und Energie. Daher sollten Produkte auf Wiedererkennung setzen: Statt sich einen Befehl zu merken, kann der Nutzer den passenden Befehl aus einem Menü auswählen. Weitere Unterstützung kommt in Form von geläufigen Icons und vertrauten Bezeichnungen. Den Befehl „Kopieren“ erkennen wir viel schneller, als „In den Zwischenspeicher ablegen“.
Ob es virtuelle Buttons sind, echte analoge Tasten oder deren Abbild auf dem Touchscreen, man sollte den bekannten Konventionen folgen (Konsistenz und Standards), die der Zielgruppe vertraut sind. Vor allem in Stresssituationen ist eine intuitive Bedienung ohne Nutzung der Erinnerung entscheidend für die fehlerfreie Nutzung des Produkts.
Für Texteingaben hat sich die Vorschlag-Funktion bewährt, sie setzt stark auf Wiedererkennung statt Erinnerung. Man muss nicht den kompletten Suchbegriff eingeben, basierend auf einem Teil davon werden Vorschläge angezeigt, aus denen man auswählen kann.
7. Flexibilität und Effizienz der Verwendung
Für den Anfang der Nutzung eines Produktes liegt die Einfachheit und die intuitive Nutzung ganz vorne auf der Liste der Prioritäten. Nach einer Zeit wird das Produkt vertraut und die Nutzer möchten es effizienter Nutzen. Die Effizienz kann zum Beispiel durch Tastenkombinationen oder Touchbefehle erreicht werden. Zudem sollen diese durch die Nutzer veränderbar sein, um den persönlichen Vorlieben zu entsprechen.
Das Produkt muss also beide Szenarien vereinen: Die einfache Nutzung für Einsteiger und die schnelle anpassbare Nutzung für Erfahrene. Da man schnell den Blick für die Probleme und Hürden des Produktes verliert (Betriebsblindheit), sollten regelmäßig Usability-Tests mit neuen Nutzern durchgeführt werden.
8. Ästhetisches und minimalistisches Design
Weniger ist mehr und das ist bei den Produkten nicht anders. Benutzeroberflächen sollten soweit reduziert werden, wie noch eine gute Nutzbarkeit ermöglicht wird. Überladene UIs, in Software oder Hardware, sorgen für Überforderung und sind fehleranfällig. Wichtig ist eine Balance: Zu sehr vereinfachte Benutzeroberflächen können ebenfalls problematisch in der Nutzung sein.
Hier ist ebenfalls eine enge Zusammenarbeit der Designer und Entwickler notwendig, um ein ansprechendes und minimalistisches Design basierend auf den aktuellen technologischen Möglichkeiten zu entwerfen.
9. Hilfe bei der Fehlerdiagnose und Fehlerbehebung
Wenn trotz allen Vorkehrungen Fehler auftreten, sollten sie gut sichtbar und verständlich für die Nutzer sein. Da wo der Fehler aufgetreten ist, sollte auch der Hinweis kommen. Diese soll für die Zielgruppe verständlich sein und sie bei der Behebung unterstützen. Standards und Konventionen helfen dabei den Fehler schneller zu erkennen.
Wenn Fehler auftreten sollten sie nicht den ganzen Prozess torpedieren: Die Auswirkung eines Fehler sollte möglichst begrenzt werden. Wenn ein Feld in der Maske den falschen Wert enthält und zu einem Fehler führt, sollten alle anderen Felder ihre Werte behalten. Bricht die Verbindung zum Server ab, sollte die Webseite die eingegeben Daten lokal speichern und eine Wiederherstellung anbieten.
10. Hilfe und Dokumentation
Und wenn alle Stricke reißen und die Benutzer nicht weiterkommen, werden sie zu der Hilfeseite des Produktes greifen. Irgendwann gibt jede Person auf und greift zu der Bedienungsanleitung (RTFM). Für den Fall sollte das Produktteam auch Zeit und Energie in eine gute Hilfe investieren, als einen Teil des Produktes betrachten, ohne den das Hauptprodukt weniger wertvoll ist.
Gute Hilfe ist kontextbezogen und unterstützt den Nutzer genau dort, wo diese Hilfe benötigt wird. Sie ist gut strukturiert und durchsuchbar, behandelt alle erdenklichen Probleme und unterstützt bei ihrer Beseitigung.
Wichtig ist, dass die Hilfe und Dokumentation zu einem wichtigen Teil der Produktlieferung wird und stets aktuell und relevant gehalten wird. Fehlerhafte Dokumentation ist schlimmer als eine fehlende Dokumentation.