Wir alle kennen den Begriff „MVP“. In jedem Unternehmen, das agil arbeitet (oder zu arbeiten vorgibt), entstehen täglich neue MVPs. Was bedeutet diese Abkürzung eigentlich? MVP steht für „Minimum Viable Product“, also die kleinstmögliche Ausprägung eines Produkts. Diese muss lauffähig sein und einen Kundennutzen bieten. Ziel des MVP ist es, die Geschäftsidee möglichst früh mit echten Kunden zu testen.

MVP ist ein Experiment

Bei der Suche nach dem Begriff „MVP“ wird oft erklärt, dass es sich um eine erste Version des Produkts handelt. So wird das MVP auch in Unternehmen gelebt: Das Entwicklungsteam implementiert die erste Version des Endprodukts (Version 1.0) mit reduziertem Funktionsumfang. Dieses Vorgehen birgt jedoch die Gefahr, viel Ausschuss zu produzieren.

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Die Idee hinter dem MVP ist ein Experiment, das durchgeführt werden kann, um die Geschäftsidee auf ihre Kundenakzeptanz zu testen. Wie kann man mit einem Minimum an Ressourcen (Geld, Material, Arbeitsstunden) herausfinden, ob die Probleme der Kunden verstanden wurden, ob das Produkt diese Probleme löst und ob die Kunden das Produkt kaufen. Nehmen wir an, das Team entwickelt eine Version 1.0 in den nächsten drei Monaten. In der Praxis ist es vielleicht sogar ein halbes Jahr. Selbst wenn das Team agil arbeitet und die Ergebnisse regelmäßig von den Stakeholdern abgenommen werden, vergehen mindestens drei Monate, bis die echten Kunden das Produkt nutzen können. Wenn das Produkt live geht, müssen die Produktmanager oder das Marketing zunächst prüfen, ob das Produkt von den Kunden angenommen wird. Wenn es nicht angenommen wird, müssen sie herausfinden, woran das liegt: Lösen wir mit dem Produkt nicht das Problem des Kunden? Hat der Kunde das Problem überhaupt? Sind Alternativen attraktiver oder einfacher? Ist die Usability schlecht oder fehlen wichtige Funktionen? In der Zwischenzeit arbeitet das Team fleißig an der Version 2.0 des Produkts..

Produkte für hyperschnelle Märkte

Die meisten Produkte befinden sich auf hart umkämpften Märkten, auf denen das Problem bekannt ist. Man versucht, die Kunden mit der bestmöglichen Lösung zu gewinnen. Doch welche Lösung die beste ist, entscheidet der Kunde. Deshalb ist es so wichtig, frühzeitig Feedback zu erhalten, ob die antizipierten Ideen auch aus Kundensicht wertvoll sind. Befindet man sich in einer Nische, versucht man einen neuen Markt zu erschließen, besteht zusätzlich das Risiko, dass das Problem falsch verstanden wird oder gar nicht existiert. Ein MVP soll helfen, die Problemhypothesen möglichst kostengünstig und schnell zu validieren.

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Da die Aufgabe eines MVP die Risikominimierung ist, kann es mehrere MVP geben, die unterschiedliche Risiken minimieren. Die erste zu testende Hypothese ist die Problemhypothese. Sie führt zu einem Problem-Lösungs-Fit, d.h. ob die von uns erdachte Lösung tatsächlich das Problem des Kunden löst. Dazu kann ein erstes, sehr rudimentäres MVP verwendet werden. Fällt dieser Test positiv aus, prüfen wir im nächsten Schritt, ob die Kunden auch bereit wären, für unsere Lösung zu bezahlen: Product-Market-Fit. Dieses MVP ist schon weiter entwickelt und aufwändiger, muss aber noch nicht das „richtige“ Produkt sein. Wenn wir ein positives Testergebnis haben und die Hypothese, dass Kunden für unser Produkt bezahlen würden, validiert haben, gehen wir zum nächsten MVP über. Und wenn der Test negativ ausfällt, gehen wir einen Schritt zurück. Unsere Aufgabe ist es diese MVP so einfach und günstig wie möglich zu machen, um daraus schnell lernen zu können.

MVP ist für verschiedene Tests sinnvoll

Ist das Produkt weniger risikoreich und sind die Anforderungen klarer, besteht immer noch das Risiko, dass die Kunden das Produkt aufgrund einer schlechten User Experience ablehnen. Auch dieser Fall muss durch ein Experiment abgesichert werden, bevor mit der eigentlichen Implementierung begonnen wird. Dabei geht es weniger um die Klärung der Anforderungen, sondern vielmehr um die konkreten Aufgaben, die die Kunden lösen wollen. Hier greifen Unternehmen oft auf User Research zurück, in dem sie versuchen, den Kunden und sein Problem besser zu verstehen. Was aber auch hier oft falsch läuft, ist die Überführung der Forschungsergebnisse in die Umsetzung des MVPs. Statt nach dem Wasserfallprinzip sollten Lösungsideen kollaborativ und iterativ entwickelt und validiert werden.

MVPs in der Praxis

Heute gibt es verschiedene Möglichkeiten ein MVP bereitzustellen, ohne die Entwicklung zu starten. Genauer gesagt die Entwicklung des realen Produktes. Es kann ja auch dasselbe Team an einem MVP Experiment arbeiten und sogar dieselben Technologien einsetzen.

MVP kann alles sein: Wireframes, Mocks, Simulationen oder einfache Post-Its an der Wand. Es gibt auch zahlreiche Plattformen, die sich auf die schnelle Erstellung von MVPs spezialisiert haben.

MVPs können in zwei Kategorien eingeteilt werden: Produkt-MVP und Marketing-MVP. Beim Produkt-MVP handelt es sich um ein Experiment, bei dem das Produkt im Mittelpunkt steht. Dies kann ein Prototyp, ein Wireframe oder ein Video eines vermeintlichen Produkts sein. Beim Marketing-MVP geht es eher darum, das Interesse und die Kaufbereitschaft potenzieller Kunden zu testen.

Einige Beispiele für MVPs:

  • Concierge: Sieht nach außen wie ein fertiges Produkt aus, wird aber von einem Team manuell unterstützt. Beispiel: Online-Shop für Schuhe, hinter dem kein Lager und keine Logistik stehen. Wenn ein Paar gekauft wird, werden die Schuhe im lokalen Schuhgeschäft abgeholt und zur Post gebracht.
  • Zauberer von Oz: Ähnlich wie Concierge MVP. Dem Nutzer wird eine Funktionalität vorgegaukelt, die das versprochene Erlebnis bietet, in Wirklichkeit aber von einem Menschen ausgeführt wird. Beispiel: Eine KI-Lösung für Steuererklärungen. Solange die KI noch nicht entwickelt ist, macht ein Team im Hintergrund die ganze Arbeit und der Nutzer glaubt, es sei die KI.
  • Fake Door: Bei dieser Methode wird dem Benutzer eine Funktion oder ein Produkt gezeigt, das noch nicht entwickelt wurde. Wenn der Benutzer darauf klickt oder sich registriert, wird dies als Indikator verwendet, ob genügend Interesse besteht, um mit dem nächsten MVP oder der Produktentwicklung fortzufahren.
  • Landing Page: Eine einfache Website oder Landing Page wird erstellt, um das Produkt oder den Service vorzustellen und potenzielle Kunden zur Kontaktaufnahme oder Vorregistrierung einzuladen.

Priorisierung der MVPs

Trotz der Vielzahl möglicher Experimente müssen die Rahmenbedingungen (Budget, Zeit, Kompetenzen) berücksichtigt werden. Um sich für ein bestimmtes MVP zu entscheiden, kann das folgende Diagramm verwendet werden:

SchnellundeinfachLangsamundaufwändigSehr wichtigWeniger wichtig

Auf der Y-Achse wird die Wichtigkeit des Tests zur Validierung einer Hypothese eingeschätzt. Und auf der X-Achse wird der Aufwand des Tests geschätzt. Man würde sich dann für die Tests entscheiden, die einfacher sind, aber den größten Lerneffekt haben.

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